Über die erfolglose Suche nach einem jagdlichen Mentor


Der erste Jagdschein ist gelöst, die Büchse nebst gutem Messer und Fernglas sicher im Waffenschrank verstaut und voller Hoffnung und Tatendrang stand ich da und bereit mich in die Passion und das Naturerlebniss Jagd zu stürzen. Zwei Jahre später erfolgte dann die große Ernüchterung und die Erkenntnis, wenn du willst, dass etwas getan wird musst du es wohl selbst machen.

Ich bin so etwas wie der Durchschnitt der Corona- Folgegeneration von Jungjägern- und Jägerinnen. Mit Mitte 30 hatte ich mich daran gemacht mir einen Lebenstraum zu erfüllen und endlich das grüne Abitur zu erlangen. Ich entschied mich gegen eines der zahlreichen Angebote kommerzieller Jagdschulen und begann meine Ausbildung bei einer Kreisjägerschaft, auch weil ich als zugezogener ehemaliger Städter hoffte, hier Kontakte und vielleicht auch das ein oder andere freundschaftliche Band zu knüpfen.

Was davon geblieben ist, ist der Jagdschein in der Tasche und mehr Fragen als vor der Jagdausbildung. Nicht weil es mir an theoretischem Wissen mangelt, sondern weil die Praxis und ein Mentor fehlt.

Ich habe das große Glück, regelmäßig in einem Revier zu Gast sein zu dürfen, selbst eine solche Gelegenheit bleibt vielen Jungjägern verwehrt, da Ihnen die regionale Verwurzelung und die Zugehörigkeit zum „Jagd Adel“ fehlt. Viele Jungjäger, denen es ähnlich ergeht wie mir überlegen, die Jagd mangels Gelegenheit wieder an den Nagel zu hängen.


Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg, oder doch nicht?

Was mir bis heute verwehrt bleibt ist der echte jagdliche Anschluss und der Wissenszugewinn. Da sitze ich nun, allein auf dem Hochsitz und wundere mich, warum ich keinen Anblick habe und grübele wo wohl der Reinecke bleiben mag, den ich doch als Beitrag für die Niederwildhege strecken wollte. Auch der Fuchslocker, dem ich nur mit Mühe und dank YouTube Videos so etwas ähnliches wie Lockrufe entlocke, scheint nicht den ersehnten Erfolg zu zeigen.

 Die Tipps des Jagdherren, nachdem wieder einmal eine Nacht ohne Weidmannsheil vorüberzieht per WhatsApp: „Vielleicht saßt du heute am falschen Platz an.“ „Ja das ist gut möglich, mir fehlt es halt an Erfahrung“ entgegne ich, und „Mir ist übrigens am Hochsitz aufgefallen das, was repariert werden muss, vielleicht können wir ja zusammen los und das reparieren, ich würde ja gerne von dir etwas lernen“ tippe ich noch in der Dunkelheit, bevor ich den Heimweg antrete.

Der Jagdherr versichert mir, er melde sich auf jeden Fall und ich fahre los, wieder versöhnt mit dem Ansitz ohne Anblick und mit der Hoffnung endlich etwas zu lernen. Eine Woche später beziehe ich wieder den gleichen Hochsitz und stelle fest -die Arbeit ist schon getan.

Der Punkt ist, dass zwischen mir und meinem Jagdherren scheinbar die Kommunikation nicht stimmt. Aus Dankbarkeit und auch ein wenig Angst diese rar gesäte Chance wieder zu verlieren, habe ich das Thema fehlende Ausbildung bisher nur zaghaft angesprochen, denn ist man erst einmal in Ungnade gefallen spricht sich dies schnell in der Region unter den Jägern herum. Mit dieser Angst bin ich nicht alleine, denn als revierloser und nicht pachtfähiger Jäger ist man auf die Gunst der Pächter angewiesen.

So geht die Zeit ins Land und Gelegenheit, um Gelegenheit etwas dazuzulernen verstreichen. Die Gesellschaftsjagden, welche in unserem Revier ohnehin nur selten stattfinden, werden ohne uns Jungjäger abgehalten, da man nur enge Freunde und Familie dabei hatte. Ganz intim, wie der Rest der traditionellen Jagdgesellschaft derer, die sich schon seit Kindesbeinen an, kennen.

Dennoch bin ich Dankbar darüber, wenigstens einen kleinen Anteil an der Kunst des Waidwerkens genießen zu dürfen und über diesen wirklich feinen Jagdherren und lieben Menschen, der mir dies ermöglicht. Denn er ist, trotz der gerade geübten Kritik einer, der mir eine Chance gegeben hat die Jagd auszuüben und ein netter Kerl. Ein Glück, das dieser Tage selten geworden ist. Vielleicht, mit etwas mehr Geduld, werde ich dann auch irgendwann ein vollwertiges Mitglied in dieser Jagdgemeinschaft.


Jagd ohne Lehrprinz, Top oder Flop?

In den letzten zwei Jahren drehten sich meine Gedanken immer wieder, um scheinbar verpasste Gelegenheiten etwas dazuzulernen. Letztendlich hat dies auch Auswirkungen auf meine Motivation mich auf abendliche Ansitze zu begeben. Auf der einen Seite motiviert mich der Jagdtrieb bei einem anblicklosen Abend, es am nächsten Tag noch einmal zu versuchen. Nach drei oder mehr solcher Abende und dem Wissen, daraus auch keinen Lernerfolg erzielen zu können, fällt meine Motivation doch recht stark ab.

Letzen Endes ist der Jagd Kurs nur ein Grundlehrgang, das nötige Handwerkszeug für den gut ausgebildeten erfahrenen Jäger sind die geteilten und angeleiteten Reviergänge mit einem erfahrenen Waidgesellen. Somit ist eine regelmäßige Jagdgelegenheit nur die halbe Miete, aber auch eben neben der Weiterbildung ein wesentlicher Baustein für das weitere Jägerleben. Auch ohne einen Lehrprinzen kann man an Erfahrung gewinnen, der Weg ist aber steiniger und eine ständige Geduldsprobe.


Netzwerken für Fortgeschrittene

Bei Hegeringversammlungen und anderen gesellschaftlichen Zusammenkünften der örtlichen Jägerschaft stand ich mangels Konversationspartner meist abseits und beobachtete das bunte Treiben. Fairerweise muss ich erwähnen, dass mir Netzwerken und Smalltalk mit Fremden noch nie besonders leichtgefallen sind und ich auch ein Typ bin, den man vielleicht erst auf den zweiten, dritten Blick so richtig zu schätzen lernt.

„Man soll sich nicht aufdrängen, das schickt sich nicht“, diesen sicher wohlgemeinten Rat eines Ausbilders befolgend, bemühe ich mich freundlich zu lächeln und doch irgendwie den Abend zu genießen zu dem alle dazu gehören, nur ich eben nicht -der zugezogene Jungjäger ohne großen Namen aus einer der in Jägerkreisen bekannten Familien.

Inzwischen gehe ich zu keiner dieser Veranstaltungen mehr, zumindest davon hat man scheinbar Notiz genommen, denn in diesem Jahr kam noch nicht mal mehr eine Einladung zum Kreisjägertag.

Kürzlich habe ich dann mein Schicksal selbst in die Hand genommen und mich via social Media auf die Suche nach einem Lehrprinzen gemacht. Dabei habe ich einen Nerv getroffen, 20.0000 Zugriffe binnen 38 Stunden bei 40.000 Gruppenmitgliedern waren die Folge.

Ganze 38 Kommentare brachten zwar keinen jagdlichen Mentor, jedoch die Erkenntnis, dass es trotz gestiegener Anzahl an Jungjägern kaum mehr Bereitschaft gibt, sich der praktischen Ausbildung der Folgegeneration wirklich ernsthaft anzunehmen. Zwar verfolgen viele das Thema, es mangelt aber am Engagement sich am dringend nötigen Diskurs zu beteiligen.

Die Fronten scheinen verhärtet, Alt Jäger, die sich von unzuverlässigen oder gar dreisten Aspiranten enttäuscht abwenden auf der einen Seite und Jungjäger die finanziell geschröpft oder als Kirrdödel missbraucht werden oder denen gar jegliche jagdliche Erfahrung ganz verwehrt bleibt, auf der anderen Seite.


Vitamin B schaden nur dem, der keine hat

Auch Erfolgsgeschichten erreichen mich, so schreibt einer der Jungjäger, er könne sogar in zwei Revieren jagen und sei sehr zufrieden, er lerne eine Menge von seinen Jagdherren. Er habe aber auch bereits vor dem Jagdschein Freunde gehabt, welche schon Jäger seien und so einen schnellen Anschluss an die jagende Bevölkerung erreicht.

Eine andere Jägerin wiederum schrieb mir, es ist frustrierend, man habe das Gefühl nirgendwo richtig anzukommen und eine Mitstreiterin pflichtet ihr bei. Solche Nachrichten erreichen mich einige und die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.

Eine Statistik wie viele Jungjäger nach der Ausbildung ohne jagdlichen Anschluss oder Mentor bleiben findet sich nicht, jedoch zeigt eine kurze Bestandsaufnahme auf, dass dies für viele Nachwuchswaidmänner und -Frauen immer öfter zum Problem wird.

Ich spreche hier bewusst nicht von der jungen Generation Jäger, deren Nachnahme vor Ehrfurcht selbst Ausbildern fast einen Hofknicks entlocken, in der Hoffnung eine der begehrten Jagdeinladungen zu erhaschen.

Es sind Waidmänner und -Frauen wie ich, ohne Verbindung zu den Netzwerken im ländlichen Raum oder auch Städter die nach Versprechungen der zahlreichen kommerziellen Jagdschulen, Natur erleben zu dürfen und ganz sicher jagdlichen Anschluss zu finden ernüchtert feststellen müssen -uns will hier keiner.


Nicht schon wieder einer aus dem Schnellkurs

Man kann von Crash – Kursen halten, was man will, auch diese haben Ihre Daseinsberechtigung. Jemand der mit der Jagd groß geworden ist und dem es nicht an Wissen und Praxis, sondern nur dem Jagdschein mangelt, die sind in solchen Kursen sicher gut aufgehoben.

Abgesehen davon ist hier ein unumkehrbarer Trend zu erkennen, laut Statistik des Deutschen Jagdverbands ist der Anteil der Jungjäger ohne jagdliche Vorerfahrung von 2011 zu 2020 von 15 auf 26 Prozent gestiegen.

Aber gerade Absolventen ohne jagdliche Vorerfahrung und Berührungspunkte mit der Natur bedürfen eines erfahrenen Mentoren, Kommunikation ist hier das Zauberwort.

Zum einen müssen unrealistische Ansprüche eingebremst werden, es muss klar sein welche Erwartungen beide Seiten aneinander haben und in Einklang gebracht werden. Zum anderen müssen relevante Inhalte verständlich und methodisch geschickt vermittelt werden, um Handlungssicherheit zu generieren. Nach so einer Lehrstunde, einem gemeinsamen Ansitz oder anderen Gelegenheiten muss es im Idealfall „Klick“ machen.

Der alte Hase weiß, warum er manche Gebiete bei der Pirsch umläuft, der junge Zauberlehrling kann nun staunend dem schweigenden Meister hinterlaufen, oder er bekommt es erklärt und kann es in Zukunft selbst. Dabei schadet es nicht, den Nachwuchs auch privat kennenzulernen und mit Ihnen in geselliger Runde das Brauchtum näher zu bringen. Obwohl oder gerade, weil er oder sie es aufgrund einer Prüfungsvorbereitung in Rekordzeit nicht besser weiß. Das ist bisweilen anstrengend und kostet Zeit und Nerven, aber jemand der schon alles kann, benötigt auch keinen Mentoren.


Jungjäger vs. Jägerschaften

Einige der Jagdverbände auf kommunaler Ebene verfolgen das Thema Ausbildung nach dem Jagdschein eher nachlässig. Bei manchen gibt es nicht einmal so etwas wie einen Jungjägerstammtisch, so auch in meiner bisherigen Kreisjägerschaft. Oft fehlt es an Pächtern, die ihr Wissen noch weitergeben oder auch mal ihr Revier außerhalb des Jagdkurses zur Verfügung stellen, um so die Fackel an die junge Generation weiterzugeben.  

Weiß man zu heutigen Zeiten gerade nicht wohin mit den ganzen Jungjägern, so wird sich, wenn sich nicht bald etwas an der bisherigen Praxis ändert, das Blatt mittelfristig wieder wenden und untätige, verstaubte Jagdverbände werden sich fragen, warum denn der Nachwuchs ausbleibt. Viele der jetzt frustrierten aber weiter wissenshungrigen Jungjäger werden über kurz oder lang der Jagd den Rücken kehren und Freunden und Bekannten von der Erlangung des Jagdscheins abraten.

Wenigstens ein Jungjägerobmann aus der Nähe hat mich angeschrieben und mich zu einem Jungjägerstammtisch eingeladen, der Zugehörige Instagram Account (endlich ein modernes Medium!) ist vielversprechend. Ob es die intensive Betreuung durch einen Lehrprinzen ersetzen kann wird sich zeigen, ich habe die Einladung gerne angenommen und freue mich über so viel Engagement. An einem ersten Abend durfte ich mich über spannende Gespräche mit Jungjägern und erfahrenen Waidgesellen freuen, einige sicher informative und gesellige Abende dürften noch folgen.


Ein kleiner Apell zum Schluss

Ich möchte die Gelegenheit dazu nutzen statt eines Fazits, mit einem Aufruf zu schließen:

Liebe Jungjäger und Jungjägerinnen, lasst euch nicht entmutigen, missbraucht das in euch gesetzte Vertrauen nicht. Wenn ihr das seltene Glück habt einen Lehrprinzen gefunden zu haben, der diese Bezeichnung auch verdient, ist das wirklich Gold wert. Jagd ist kein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung, manchmal wird es nass und kalt sein und auch mal weh tun.

Seid bescheiden aber kommuniziert eure Wünsche und Erwartungen und übt euch auch in Geduld, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit und auch mal einer Portion Selbstlosigkeit. Stellt Fragen und bietet euch an, Lernen ist manchmal eben Holschuld und keine Bringschuld des Ausbilders. So manche Einstellung und Überzeugung mag man nicht teilen, aber sie sind die Summe von über Jahre gemachten Erfahrungen.

An die alte Generation richte ich die Bitte, uns nicht den Rücken zu kehren, die Freude des geteilten Wissens nicht versiegen zu lassen und auch mal so manche Ansicht zuzulassen. Die Welt bleibt nicht stehen und auch die Jagd verändert sich weiter. Wichtig ist aber, die Fackel weiterzureichen und auch das in euch gesetzte Vertrauen mit offener und ehrlicher Kommunikation zu belohnen. Engagiert euch in der Nachwuchsförderung, aus beruflicher Erfahrung weiß ich, wieviel es einem zurückgibt seine Tipps und Tricks in der Praxis bei seinen Schützlingen beobachten zu können. Es wird Zeit und Mühe kosten, so wie auch die Pflege eures Revieres, aber es wird die Mühe am Ende wert sein.

Euer Night Hunter

(Der Autor möchte diesen Beitrag anonym veröffentlichen. Seine Person und sein richtiger Name ist der Vorstandschaft des Vereins selbstverständlich bekannt) 


Quellennachweise: Alle Fotografien von pixabay.com
Klicke auf das Foto um direkt zum Bild zu gelangen